Empowering Agile
Am 16. Mai fand in Wien zum ersten Mal das neue Konferenzformat „Empowering Agile“ statt – ein Austausch auf Augenhöhe und höchstem Niveau. In einer bunten Mischung aus Erfahrungsberichten, Methoden, vor allem aber sehr persönlichen Insights der Vortragenden in die eigene Entwicklung, erfolgreiche und gescheiterte Versuche am Weg in ein Neues Zeitalter.
Die Eröffnung hätte wohl kaum jemand passender auf den Punkt bringen können als Peter Bosek, Vorstand Erste Group, der von seinem Weg mit dem Online Banking Angebot der Erste Bank „George“, mit dem Auftrag „Mach´ was g´scheids!“ von Andreas Treichl (CEO Erste Bank). Die Erfolgsfaktoren für den Siegeszug von George skizzierte Peter Bosek wie folgt:
Die Mannschaft frei nach dem Motto „Nix ist so g’scheid wie a g’scheites Team“, wie Stefan Schwaha zu sagen pflegt. Peter Bosek legt Wert darauf, Menschen um sich zu versammeln „die andere Dinge können als ich. Banker bin ich eh selbst!“ so Bosek. Den Zusammenhalt bringt das gemeinsame Ziel (klingt einfach, ist aber so gar nicht selbstverständlich für ein interdisziplinäres Team in einem Corporate, Anm. Sabine Hoffmann) und die Sicherheit, dass man nicht ausgelacht wird, wenn man vermeintlich „dumme Fragen“ stellt und Dinge neu und anders anpackt. Um all das möglich zu machen, „muss ich mich als Leader umstellen“, so Peter Bosek. Das ist seine erfolgreiche Alternative zur anderen Variante, sich über die neuen Werte der Millenials zu wundern oder lustig zu machen. Nachdenklich macht ihn die Tatsache, dass sich Unternehmen in den letzten Jahren Shareholder Value bedingt wenig loyal gegenüber ihren Mitarbeitern verhalten haben und das wenig zur notwendigen Sicherheit für´s Experimentieren beitrage. Sein klarer und eindringlicher Appell an alle Anwesenden: „Als Leader sind Sie für Ihr Team da und nicht umgekehrt“ – so seine gelebte Praxis.
Ein Punkt der in der Diskussion offen bleibt und wohl im Moment alle im agilen Context beschäftigt, ist die Frage der Organisation – Peter Bosek bezeichnet es als Downside, dass George „neben der bestehenden Organisation“ besteht.
Diese 2 Modi des Führens (Exploit Core Business & Explore New Business), wie die Gastgeberin Natascha Kantauer-Gansch (Chief Customer Office, A1) sinngemäß ausführt, machen auch ihr zu schaffen: „traditionelle Teams zu führen in einer Rolle des Entscheiders und parallel in agilen Teams als Product Owner Ziele und klare Akzeptanzkriterien vorzugeben und dann die Arbeit lediglich zu priorisieren, ist im Alltag eine Herausforderung“. A1 ist agil bereits breit aufgestellt, mit 2 Tribes, 8 Squads und 60 agilen Teams. In diesem großflächigen Ausprobieren gibt es Erfolge, wie die Etablierung eines Online Shops mit live Support und Sales in nur 8 Wochen, der bis zu 40% Conversion generiert. Und auch Rückschläge, wie etwa das vorübergehende Schließen einer Squad.
100% agil?
„This is unnecessary and not realistic“, meinte Joanna Bakas (LHBS) am Ende des Tages. Ich denke, das ist noch so, ja. Aber à la long driften wir hin auf eine Umstellung all unserer Denk- und Arbeitsweisen und damit in letzter Konsequenz auch Organisationsformen. Wie „radikal“ man Organisation und Leadership neu denken kann, demonstrierte Gerhard Luftensteiner (Vorstandsvorsitzender, KEBA AG). In Etappen, vergleichbar mit einer Bergtour sei man die Veränderung angegangen. In der ersten Etappe (1 Jahr! lang) mit einem kleinen Team an Vorreitern, dem Aneignen neuer Fähigkeiten und im intensiven Dialog mit der gesamten Mannschaft.
Um in der zweiten Etappe (6 Monate), gemeinsam mit nominierten Veränderungsteams die Entscheidung für die neue Grundstruktur zu treffen.
Um dann erst in der dritten Etappe die gesamte Organisation neu „zu spielen“ – in aller Konsequenz. Mit einem Marktplatz für Rollen (statt Jobs), Coaching Strukturen um den Lernprozess zu fördern und einer „Minimum Viable Bureaucracy“, die Regeln und Vorschriften soweit wie denkbar abschafft. Der Impact? Eine Umsatzsteigerung von 192 Mio € auf 352 Mio €.
Organisation nach dem Prinzip der Holacracy also, die Luftensteiner erst am Ende seines Vortrages so benennt, was ich persönlich als eines seiner Erfolgsrezepte bezeichnen würde. In den Mittelpunkt seiner Betrachtungen stellt er die Menschen und nicht den Prozess oder die Methodik. Die Aufgabe der „Zentrale“ bedeutet für KEBA Supportfunktion, um es allen Einheiten und den Menschen dort möglich zu machen, zu Lernen und ihr „best-self“ in ihre Aufgaben einzubringen.
Ein Vorzeigebeispiel mitten aus Österreich – wenn Sie mehr davon suchen und finden möchten, dann empfehle ich priomy, „eine Initiative der Kultur-Komplizen und der Unternehmensdemokraten“ die selbstbestimmte Arbeit sichtbar machen!
Das Schlagwort 100% agil am präsentesten besetzt, hat wohl Klaus Straub, CIO des Jahres 2018, BMW. Sein Organisationsrebell (so nennt er sich selbst) Dr. Markus Raitner, gab Einblicke in die Agilisierung der BMW IT. Was ich davon hier teilen möchte, ist der Grund, das Why für die Agilisierung von BMW. Es ist die Tatsache, dass mit Wegfallen des Verbrennungsmotors „so gut wie jedeR“ ein Auto bauen kann, wie es etwa die Deutsche Post (!) oder auch Google tut.
Angesichts der Geschwindigkeit der Veränderung im Außen, wurde in der IT auf agile Produktentwicklung umgestellt, um die Veränderung im Innen zu beschleunigen.
Die Antwort auf die Frage „Wozu das Ganze?“ gab für mein Empfinden Uwe Habicher (Haufe), der anhand des im Haufe Verlag entwickelten Modells Fleat demonstrierte, warum ein Unternehmen am Weg in die (Digitale) Zukunft auf unterschiedliche Floße und „Dampfer“ setzen muss, weil man ja im Vorhinein nicht weiss, welches Nes Business aufgehen wird. Um dieses neue Denken einfacher zu gestalten, setzt Fleat, wie der Name schon sagt, auf einfache Wordings aus dem Flottenmanagement um letztendlich dem Agilen Portfolio Management ein Framework zu geben und das Risiko der Zukunftsvorhaben gezielt zu streuen.
Dass man die Welt gemeinsam ganz anders denken muss, das demonstrierte Martin Fröhlich (Organisationsrebell, Deutsche Bahn) für mich am konsequentesten. Indem er seinen Vortrag mit einem Song begann, der er mit seiner mitgebrachten Gitarre zum Besten gab.
Auch er stellt vor Trends und Technologien die Menschen, die er in „Solche und Strolche“ unterscheidet und seinen Studierenden zu Neugier ermutigt: „Probiert alles aus und entscheidet erst dann, was ihr weiter machen wollt“. Neugier ist unterm Strich wohl auch die wichtigste Eigenschaft, um den Weg ins Digitale Zeitalter zu erkunden und spielerisch mit Hürden und Entdeckungen aller Art umzugehen.
Ich möchte mich bei Alfred Mahringer (A1) sehr herzlich bedanken, für dieses Feuerwerk an Inspiration rund um Agiles Führen und Gestalten und freue mich auf ein nächstes Event aus dieser Reihe!